Farben sind objektiv und subjektiv zugleich
Klarheit durch Unterscheidung
Farben und Farbzusammenstellungen gelten gemeinhin als Geschmackssache – und diese sei individuell und daher subjektiv. Farben kann man aber auch exakt messen und reproduzieren. In diesem Kontext sind Farben objektiv. Physikalisch betrachtet sind Farben elektromagnetische Frequenzen, die von natürlichen oder künstlichen Lichtquellen abgegeben bzw. von Oberflächen reflektiert werden. Der Frequenzverlauf einer Farbe ist ein eindeutiges Muster, ähnlich dem eines Fingerabdrucks. Max Lüscher hat nachgewiesen, daß jede Farbe eine bestimmte, gleichartige und objektive emotionale Wirkung auf den Menschen hat. Von Mensch zu Mensch verschieden ist jedoch, ob eine bestimmte Farbe gefällt oder mißfällt oder auch gleichgültig ist. Das Subjektive einer Farbe ist also die individuelle Bewertung eines objektiven Gefühls durch einen objektiven Farbreiz. Mit den Worten von Max Lüscher: Farben sind »subjektiv, weil sie den subjektiven Zustand in objektiver Weise wiedergeben und somit einen objektiven Befund über den affektiven Zustand des Menschen ermöglichen«.
Die individuelle Bewertung einer Farbe ist von vielen Gegebenheiten abhängig. Bewertungen können beeinflusst sein durch persönliche Erlebnisse (die auch lange Zeit zurückliegen können!), durch persönliche Haltungen und Glaubenssätze, körperliche Bedingungen, Moden und andere Anpassungen an den Zeitgeist. Technisch gesehen kann man Farben nach ihrem Farbort in einem abstrakten Farbraum oder als Muster an Hand ihres Frequenzverlaufs auf einer zweidimensionalen Skala abbilden. Visuell unterscheidet man Farbtöne an Hand ihrer drei Parameter »Farbton«, »Sättigung« und »Helligkeit«. Die Psychologie nutzt zur Kategorisierung der individuellen Bewertungen von Farben drei Parameter: »Stimulation«, »Valenz« und »Potenz«. Der Potenzwert einer Farbe sagt aus, wie stark man sich von einer Farbe »bedrängt« fühlt. Mit Valenz wird ermittelt, wie sympathisch oder unsympatisch eine Farbe erlebt wird. Der Stimulationswert ist ein Maß für den Grad an Aktivierung oder Erregung.
Die Durchführung des diagnostischen Lüscher-Tests und die Ermittlung bzw. Auswertung der psychologischen Parameter bleibt Fachleuten vorbehalten. Als Gestalter können wir einfachere Verfahren nutzen, die für die Praxis gut anwendbar sind und gleichzeitig eine gute Grundlage für Design-Entscheidungen darstellen.
Roland Aull