Die Wertigkeit von Materialien und Oberflächen

Was Wertigkeit und Wertschätzung miteinander zu tun haben


Beim Betrachten dieses Bilds, es entstand im Gefängnis »Robben Island« in Südafrika, in dem der politische Gefangene Nelson Mandela 20 Jahre lang inhaftiert war, stellt sich die Frage nach der Wertigkeit der verwendeten Materialien und der Ausdrucksqualität von Oberflächen. Wie kommt es, daß wir beispielsweise planebene (glatte) und glänzende Oberflächen als wertvoller empfinden, matte und raue dagegen weniger. Auch gebrochenen und polierten Marmor schätzen wir wertvoller ein als etwa Stuccolustro, ein »Ersatzmaterial«, das vergleichbare Oberflächen zeigt. Und weshalb erscheint uns Tannenholz als weniger wertvoll wie beispielsweise das Holz der Kirsche, einfach nur deshalb, weil es sehr viel mehr davon gibt?

Wie so oft werden unsere Einschätzungen von Naturerfahrungen in unseren Lebensräumen geprägt. Bei uns gibt es in der Natur normalerweise keine völlig planen (glatten) Materialien und Oberflächen. Diese entstehen erst durch manuelle oder maschinelle Bearbeitung, aufwändig von Menschenhand. Auch glänzende Dinge sind in der Natur Ausnahmen. Glanz entsteht durch Polieren und Schleifen und je mehr Bearbeitungszeiten (und damit Kosten) für Oberflächen aufgewendet werden müssen, desto »teurer« sind sie und umso wertiger schätzen wir sie im Allgemeinen ein. Ist die zugesprochene Wertigkeit von Materialien und Oberflächen also nur eine Frage der Naturerfahrung oder eine Angaben zu den Herstellkosten?

Bei genauerer Betrachtung ist zu unterscheiden zwischen

  • den physikalischen Eigenschaften von Materialien, also den Quantitäten, die man messen, zählen oder wiegen kann. Der materielle Wert eines Materials ist objektiv darstellbar, er lässt sich in Beschaffungs- bzw. Herstellkosten ausdrücken
  • den sinnlich wahrnehmbaren, also emotionalen Qualitäten der Oberflächen, die jeder Mensch individuell erlebt. Diese emotionalen Qualitäten sind Ergebnis persönlicher Einschätzungen und werden von vielerlei Faktoren beeinflußt
  • den ganzheitlich-atmosphärischen Stimmungen, in der die Oberflächen der Materialien mit allen anderen gestalterischen Elementen und Dingen zusammengeführt sind. Letztlich ist die atmosphärische Wirkung ein ganzheitliches Resonanzerlebnis, die innere und äußere Verbundenheit eines Menschen mit einem Raum

Wie Materialen und Oberflächen richtig einschätzen?

Dominieren die quantitativen Elemente, die meist mit funktionalen Aspekten wie Reinigungsfähigkeit einhergehen, wird das vitale Bedürfnis nach sinnlich erfahrbaren Erlebnisqualitäten selten befriedigt. Derartige Oberflächen werden meist als abweisend, banal oder langweilig bewertet. Stehen dagegen einseitig die qualitativen Aspekte im Vordergrund, häufig unter Missachtung der technischen Eigenschaften, »funktionieren« die Oberflächen meist nicht: sie sind empfindlich, verschmutzen schnell und werden mit zunehmendem Alter häßlich. Ohne erkennbares Raumthema, in das sich die verwendeten Materialien und Oberflächen thematisch – und damit »sinnfällig« einordnen, kann leicht ein Ausdruck von unmotivierter Beliebigkeit entstehen, resultierend in einem Unverständnis, weshalb gerade diese Materialien und Oberflächen im Raum verwendet wurden.

Zwei Beispiele im Vergleich

Am Beispiel des Umkleideraums im Gefängnis von Robben Island (Südafrika) ist deutlich ablesbar, daß er rein funktional konzipiert ist. Die Materialien und Oberflächen sind robust und widerstandsfähig, sie wirken banal, abweisend, hart  und distanzierend. Sie haben offensichtlich die Funktion, den Gefangenen nur ein Minimum an Bequemlichkeit und Aufenthaltsqualität zu liefern.

Völlig anders erscheint dagegen das Ambiente eines Restaurants in Kapstadt (Südafrika), zeitgleich aufgenommen wie Robben Island. Abgesehen von der Farbgebung und den Accessoires, dem Licht sowie den Dingen im Raum erscheinen die Materialien und Oberflächen ausgesucht, liebevoll arrangiert und sorgfältig aufeinander abgestimmt.

Fazit: Materialien bringen Wertschätzung zum Ausdruck

Materialien und Oberflächen sind für die Raumgestaltung ebenso wichtig wie Licht und Farbe. Farbe ist unser flexibelstes und gleichzeitig das alle anderen Gestaltungselemente dominierende Medium, das wir meist nur aus einer visueller Distanz wahrnehmen. Materialien und Oberflächen wirken dagegen unmittelbar: wir berühren sie tatsächlich. Die empfundene Wertigkeit von Materialien und Oberflächen ist die Grundlage, um Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen, wie man im unmittelbaren Vergleich der beiden Abbildungen deutlich ablesen kann.

Roland Aull

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