Wegeführung für eine Grund- und Förderschule

Visuelle Orientierung für Kinder mit kognitiven Einschränkungen

 

Aufgabenstellung

Auf dem Campus der seit 50 Jahren bestehende Adolf-Reichwein-Schule in Freiburg im Breisgau wurden vom Reutlinger Architekturbüro Riehle + Assoziierte ein Ganztagesbereich mit Mensa sowie ein Kindergarten mit Kindertagesstätte gebaut. Für die Neubauten wurde ein Orientierungssystem gebraucht, das die eingeschränkten Kompetenzen der Nutzer berücksichtigt:

  • der Spracherwerb und die Schreib-Lesekompetenz der Kinder verläuft verzögert, er stagniert und bleibt längere Zeit hinter dem Lernfortschritt vergleichbarer Altersgenossen zurück
  • bei den Schülern sind Konzentrationsschwächen und ein geringes Durchhaltevermögen auffallend

Die Ursachen für die verzögerte Entwicklung liegt nicht nur bei den individuellen Schwächen Einzelner, sondern ebenfalls bei der fehlenden Schreib-Lesekompetenz mancher Eltern – viele von ihnen sind Migranten, in den Herkunftsfamilien werden rund 80 verschiedene Sprachen gesprochen.

Eine genauere Analyse der Nutzer-Kompetenzen zeigte:

  • Die senorische Wahrnehmung der Nutzer ist weitgehend unauffällig. Vor allem die visuelle Differenzierung (Formbeachtung) sowie eine gute Farberkennung sind gegeben. Damit ist die sinnliche Wahrnehmung über die Distanzsinne unproblematisch.
  • Auch eine gute Mustererfassung (Erfassung der Farbe-Form-Beziehungen) kann vorausgesetzt werden. Offen blieb allerdings die Frage, ob wahrgenommene (visuelle) Muster im Kurzzeitgedächtnis der Nutzer gut erinnert werden können.

Ein gutes Orientierungssystem soll prinzipiell dazu führen, von einem Ausgangsort (A) zu einem oder mehreren Zielorten (B bis Z) zu gelangen. Auf den Wegen von A nach B bis Z sind ausreichend viele Orientierungshilfen vorzusehen, die dann den Standort auf dem Weg deutlich machen. Da in der Adolf-Reichwein-Schule die einzelnen Räume flexibel genutzt werden, ist keine Eindeutigkeit bei den Zielorten gegeben. Hinzu kommt, dass die Schule für ihre unterrichtlichen Zwecke auch Areale anderer Anbieter nutzt, etwa ein diakonisches Gemeindezentrum oder einen kommunalen Abenteurspielplatz (daher der »Campus-Charakter)

Lösungsansatz

Die besondere Aufgabenstellung führte zur Überlegung, die Orientierung im Raum an drei grundlegenden Kompetenzen auszurichten.

  • »face recognizion«
    das Erkennen und Unterscheiden von Gesichtern ist bereits kurz nach der Geburt möglich, da dieses Vermögen angeboren und weitestgehend unabhängig vom Kulturkreis oder einer wie auch immer ausgebildeten Schreib-Lesekompetenz besteht
  • »landmarks«
    sind besonders auffällige Objekte, die man in einer Landschaft oder einer Siedlung finden kann. Solche »landmarks« sind beispielsweise markante Felsformationen oder Stadttore.
  • »Faden der Ariadne«
    Damit wird eine simple Form der Wegeführung bezeichnet, die auf eine antike Sage zurückgeht. Das Finden eines Wegs (oder eines Rückwegs) wird durch einen »Faden« ermöglicht, der den Weg durch den Irrgarten weist.

Konzeption

Diese besteht aus vier Modulen:

  • »landmarks«
    um das Auffinden einzelner Räume in einzelnen Etagen zu erleichtern, werden an Orten, an denen Richtungsentscheidungen erforderlich sind, so genannte landmarks platziert. Diese Wegzeichen müssen, damit sie gut erinnert werden, bestimmten wahrnehmungspsychologischen Merkmalen entsprechen, beispielsweise dem Gesetz der »Ganzheit« oder dem Gesetz der »visuellen Prägnanz« und darüber hinaus »reichhaltige Farbe-Form-Eigenschaften« besitzen.
  • »Personenräume«
    die Türschilder für die so genannten »Personenräume« zeigen ein oder mehrere fotografierte Menschen im Portrait. Das sind typischerweise Klassenräume mit Fotos von Klassen-, Förder- oder Beratungslehrern usw.
  • »Symbolräume«
    die Türschilder für so genannte »Symbolräume« zeigen authentische Kinderzeichnungen, die mit gleicher Funktion wie Portraits einen individuellen Ort im Schulgebäude definieren.
  • »Funktionsräume«
    diese werden ganz klassisch mit einem alphanumerischen Code sowie der Funktion des Raums gekennzeichnet (beispielsweise »A 003« und »Gäste WC«. Der zu verwendende Schrifttyp, der einheitlich für alle Beschriftungen genutzt wird, die Buchstaben, die in der Schreibschrift genutzt werden.

Diese vier Orientierungsmodule zur Navigation im Gebäudeinneren werden durch übergeordnete Beschilderungen ergänzt:

  • ein bestehendes Logo, das als skalierbares Motiv neu gezeichnet wurde und jetzt durch ein etwa 4 Quadratmeter großes Display den Haupteingang der Schule kennzeichnet
  • Stelen an den Eingängen (mit Campusplan und wichtigen Zielorten)
  • Übersichtspläne an den Schnittstellen von Treppenhäusern und Fluren; sie wurden als Grundrisspläne gezeichnet und zeigen die Abbildungen der »landmarks«, alle Symbolraum-Bilder sowie die alphanumerischen Raumcodes der Personen- und Funktionsräume.

Realisierung

Die Umsetzung des Konzepts erfolgte, abhängig vom Baufortschritt, in mehreren Etappen. Da in den nächsten Jahren auch das Bestandsgebäude der Schule kernsaniert bzw. neu gebaut wird, wurde das Orientierungssystem so angelegt, dass es flexibel im Hinblick auf neue Gebäudestrukturen und Räumlichkeiten erweitert werden kann.

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